Ensemblefestival
Das Ensemblefestival für aktuelle Musik 2020 ist eine Initiative des Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig [FZML] und des Ensemble Tempus Konnex.
In der ersten Auflage der Biennale richtet sich der Blick nach Osten: Die bedeutendsten Ensembles der zeitgenössischen Musik aus China (Ensemble ConTempo Beijing), Japan (Ensemble NOMAD) und Russland (Moscow Contemporary Music Ensemble [MCME]) kollaborieren in der Musikstadt Leipzig mit zwei Ensembles aus Deutschland (Ensemble Musikfabrik, Ensemble Tempus Konnex). Das Festival möchte diskursiv und offensiv eine musikalische Gegenwartsbeschreibung in den Mittelpunkt stellen.
Zahlreiche Uraufführungen sowie europäische und deutsche Erstaufführungen stehen auf einem Programm, das immer wieder auch die Grenzen zu elektronischer Musik und Medienkunst ausleuchtet. Darüber hinaus ist die Förderung des künstlerischen Nachwuchses wesentlicher Bestandteil des viertägigen Festivals.
»Sobald die Gegenwart gedacht ist, verschwindet sie.«
Gegenwartsmusik zu hören und zu verstehen stellt uns oft gerade deshalb vor Herausforderungen, weil sie uns so fremd ist. Sie geht mit Themen und Fragen um, die sich virulent, vage und oft nur als ein künstlerisches »Erahnen« äußern und entäußern. Gegenwart ist vermutlich erst dann besprochen, wenn ihr die Vergangenheitsbeschreibung mutig entgegengestellt und stetig neu verhandelt wird. Nicht selten verweißt zudem der Begriff »Gegenwart« auf »Schatten«, die zeitgeistig gespeist sind.
Wer entscheidet über aktuell und weniger aktuell? Wer entscheidet, welche Fragen und Probleme erledigt und vergangen sind und welche uns dagegen noch tatsächlich beschäftigen? Wann können wir überhaupt von einem ›neuen‹ Abschnitt in der Geschichte der Musik sprechen?
Als künstlerische Leitung des internationalen Ensemblefestivals Leipzig formulierten wir im letzten Jahr eine Vision: Wir wollen in einer von Barock, Klassik und Romantik geprägten Musikstadt aktuelle Zeichen setzen und Menschen verschiedenster Herkunft mit unterschiedlichen Vorkenntnissen, Fähigkeiten, Erwartungen, Erfahrungen und Wünschen für einen sehr begrenzten, aber zugleich sehr intensiven Zeitraum zusammenzubringen. Wir wollten Tendenzen in den Fokus rücken, die in eine gerade erst vergangene Gegenwart zurückreichen. Im besten Fall sollten also Neugierige und Liebhaber*innen, Kenner*innen und Unbefangene, Musikschaffende und -machende sowie Musikrezipierende in der Gegenwart des Festivals gemeinsam agieren. Dass diese tatsächliche Gemeinschaft im realen Raum und die Verhandlung der Frage, was die Gegenwart der Musik und die Musik der Gegenwart sind, einander bedingen, ist 2020 nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Durch die weltweite Pandemie mussten wir unser Konzept neu denken.
Aufgrund derzeitiger Entwicklungen können wir Musik, die in verschiedenen Nationen jetzt gerade als innovativ, individuell und neu gilt, nicht in einem Festival – wie wir es in der Vergangenheit gewohnt waren – in Leipzig bündeln und präsentieren. Die zeitgenössische Musik aus Russland, Japan, China und Deutschland wird von ihren Heimatorten aus Zeichen setzen: Die renommierten Ensembles werden das geplante Konzert zuhause aufführen. Die Intention bleibt dieselbe: Die Musiker*innen spielen ein Programm, das sie ausgewählt haben, um möglichst authentisch die aktuellen und von einem Land zum anderen doch unterschiedlichen Entwicklungen Neuer Musik zu repräsentieren.
Ursprünglich sollten sich die Qualitäten der fünf Ensembles im Finalkonzert zu einem Festivalensemble vereinen. Auch diese Vision können wir leider nicht verwirklichen. Deswegen spielt Tempus Konnex als Leipziger Ensemble das Finalkonzert im Frühjahr 2021.
Wir haben mehr denn je ein großes Interesse daran, in einer internationalen und vielfältigen Gemeinschaft über Musik und Kunst unserer Zeit zu diskutieren. Wir freuen uns, Sie zu diesem erstmaligen Ereignis digital begrüßen zu dürfen und wünschen Ihnen eine spannende und bereichernde Zeit voller musikalischer Eindrücke und Perspektivwechsel, interessanten Begegnungen und Diskussionen.
Herzlich Willkommen,
JiYoun Doo und Thomas Chr. Heyde